Unsere Geschichte

 

 

Evangelisch in Tirol

Es gibt uns seit der Reformation

Der Beginn der Reformation

Kurz nachdem Luther seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg genagelt hat, sind die Gedanken und Ideen Luthers bereits nacht Tirol gekommen und haben zahlreiche Anhängerinnen und Anhänger gefunden. Seit 1505 gehörte Kufstein formell zum Herrschaftsgebiet der Habsburger und ist damit bis heute Teil Österreichs. Die protestantischen Ideen waren überall zu finden. Die Menschen strebten am Vorabend der Reformation um ihr Seelenheil. Die reformatorischen Ideen wirkten sofort und unmittelbar! 1519 und 1520 wurden Luther und seine Mitstreiter zu Bestsellerautoren und Tirol war von Beginn an selbstverständlicher Teil dieser Ideenverbreitung. Die Reformation trat in Tirol aber sogleich in besonderer Heftigkeit auf. Wirtschafttlich, politisch und sozial war Tirol vom Montanwesen geprägt, speziell das Unterinntal. In den Bergwerkszentren lastete starke obrigkeitlicher und steuerlicher Druck. Die lohnabhängigen Knappen spürten diesen Druck im Speziellen. Diese Berufsgruppe war offen für Reformaen und waren für Luthers Thesen besonders empfänglich. 1521 schrieb der Chronist Georg Kirchmayr, dass es in Tirol wegen der Lehre Luthers "bei Pfaffen und Laien, bei Herren und bei Bauern zu Kirchen und Gassen und wo man beieinander gewesen ist, ein solch Geschrei gewesen, dass wunder davon zu Schreiben wär."

 

Jacob Strauß - der Reformator aus Hall

So wird auch von den Predigten des Jacob Strauß in Hall berichtet. Aus Schweygers Stadtchronik geht hervor, dass er besonders gegen die damaligen kirchlichen Misstände anging und die Ablehnung der Pfarrer und Mönche besonders befeuerte. Insbesondere wandte er sich auch gegen die Reliquiensammlung des Florian Waldauf. 1522 musste Strauß unter Protest Hall verlassen. Ihm folgte der evangelisch gesinnte Urbanus Rhegius. Obwohl er milder gesinnt war, musste auch dieser Hall 1523 verlassen. Die Menschen in Hall predigten daraufhin selbstständig protestantisch weiter. Bereits in den frühen 1520er-Jahren wurden die reformatorischen Gesinnungen bereits im Vorhinein von der Obrigkeit unterdrückt. Es gab zudem kaum Adelige in Tirol, die die Reformation und ihre Gedanken politisch hätten stützen können.

 

Der Trostbrief von Luther

Eine adelige Persönlichkeit gibt es aber doch, die für die Reformation in Triol bedeutend wurde: Der Bergwerksbesitzer Martin Baumgartner. Noch 1507/08, also kurz vor der Reformation, unternahm er noch eine sehr kostspielige Pilgerreise ins Heilige Land, die ihm (so seine Hoffnung) viel Seelenheil bescheren sollte. Baumgartner hatte sich einen eigenen lutherischen Prediger namens Wolfgang Ochsenbauer bestellt. 1526 oder 1528 musste er diesen auf Druck des Landesherrn entlassen. Baumgartner wandte sich in seiner Verzweiflung brieflich an Martin Luther, um ihn sein Leid zu klagen. Luthers Antwortbrief ist überliefert und schrieb seinem "Gestrengen und Ehrnvesten [...] Ritteren zum  Kopffstein" Trost zu.

 

Geheimprotestantismus

Im Gegensatz zu anderen Regionen Österreichs konnte die Reformation in Tirol sich nie festigen, obwohl reformatorische Gesinnung unter der Bevölkerung weit verbreitet war. Die Obrigkeit hatte die Sorge, dass die reformatorischen Gedanken zu sozialen Protest führen könnte - nicht ganz zu unrecht. So gingen Bauernkriege (ab 1524) und Reformation oft Hand in Hand. So war der tiroler Bauernführer Michael Gaismair ein Verfechter des unverfälschten, reinen Evangeliums, da er das Evangelium als das Ermächtigung für "den gemeinen Mann" verstand. Fortan führten Protestanten ein Leben im Verborgenen (Geheimprotestantismus). Das hinderte die Menschen aber nicht, kleine Hausandachten zu feiern, die sogar in einfacher Liturgie ausgerichtet waren. Man las zudem die Bibel, sang fromme Lieder oder veranstaltete kleine Gottesdienste in Wohnstuben. Aus Regierungsakten der damaligen Zeit geht hervor, dass in Kufstein die Bürger während dieser Hausandachten die Fenster öffneten, damit die Predigt bis auf die Straße raus hörbar war. In der Mitte der Stube wurde ein kleiner Tisch als Altar eingerichtet und viele Besucher wurden eingeladen. Nicht nur Männer waren Laienprediger, einmal wird von einer Frau berichtet.

 

Vertreibung und Wiederansiedlung

Die Geschichte der Evangelischen im 19. Jahrhundert

Viele Gegenden in Tirol waren lange Zeit Orte des geheim gelebten Protestantismus. Eine dieser Gegenden war das Zillertal. Viele Menschen aus dem Zillertal behielten über Jahre ihren evangelisch-lutherischen Glauben und lebten ihn im Verborgenen. (Videobeitrag ORF, 2012). Weil Teile des Zillertals bis 1814 (Wiender Kongress) dem Erzstift Salzburg bzw. den mit Napoleon verbündeten Bayern gehörten, hatten sich selbst nach der Duldung der Protestanten in Österreich (Toleranzpatent von 1781) niemand im Zillertal als "evangelisch" öffentlich erklärt. Erst 1816 regte sich Interesse an der Gründung einer evangelischen Gemeinde im Zillertal. Die Tiroler Behörden waren darüber jedoch erbost. Sie fürchteten um die von ihnen hochgehaltene katholische "Glaubenseinheit" des Landes. Obwohl in Österreich Evangelische grundsätzlich geduldet waren, entschied man 1837, dass die Zillertaler entweder katholisch werden sollten oder ausreisen müssten. Die Evangelischen baten um Toleranz, aber die Tiroler Landstände und die katholische Kirche widersetzten sich. Der Konflikt eskalierte, und die Zillertaler Protestanten wurden gezwungen, das Land zu verlassen. Im April 1837 wanderten 427 Personen aus, hauptsächlich nach Schlesien (heute Polen).

 

Evangelisch sein in Tirol ging nur unter Protest

Durch das 1861 erlassene Protestantenpatent erhielt die evangelische Kirche im Kaisertum Österreich mehr Rechte als die bloße Duldung. Von den rechtlichen Bedingungen beflügelt gründete sich 1869 die "Protestantische Glaubensgenossenschaft in Innsbruck". Aufgrund des Widerstands des Landes war es ihr zunächst nur gestattet, häusliche Gottesdienste abzuhalten. Erst im Jahr 1875 genehmigte das Ministerium die Bildung protestantischer Gemeinden in Tirol. Am 28. Januar 1876 konstituierte sich die „Evangelische Kirchengemeinde A. und H.B., Innsbruck“, nur wenige Tage vor der in Meran. Bereits 1899 wurde Kufstein eine "Predigtstation" der Pfarrgemeinde Innsbruck. 

Kufstein wird eine eigene Pfarrgemeinde

Die erste evangelische Pfarrerin Österreichs arbeitete in Kufstein

1900 erhielt Kufstein einen von der Stadt zur Verfügung gestellten Gottesdienstraum im ehemaligen Theatergebäude der Stadt. 1929 erwarb das Innsbrucker Presbyterium einen Baugrund in Kufstein, auf welchem schließlich Fünfundzwanzig Jahre später die Johanneskirche und das Pfarrhaus entstanden – die feierliche Einweihung fand am 10. Oktober 1954 statt. In der „Predigtstation Wörgl“ durfte der Gottesdienst nach einigen Notlösungen nach 1945 in der Spitalskirche stattfinden, für die weiteren Gemeindeveranstaltungen musste man in die Bahnhofsretauration und für die Bibelkreise gar in das Wartezimmer eines Zahnarztes ausweichen.

 

Dora Winkler-Herrmann (1910–1983)

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 kam es zu einem Mangel an Pfarrern, da viele eingezogen wurden. Daraus resultierte die Notwendigkeit, auch Theologinnen wie Dora Herrmann die Erlaubnis zu erteilen, Gottesdienste abzuhalten und Amtshandlungen durchzuführen. Ein Erlass des evangelischen Oberkirchenrates vom 5. Juni 1942 ermöglichte dies unter bestimmten Bedingungen. 1944 wurde Dora Herrmann der Gemeinde Kufstein-Kitzbühel zugeteilt, nachdem der bisherige Vikar einberufen wurde. Zunächst versuchte die Gemeinde, die geistliche Betreuung durch eine Frau zu verhindern, doch durch Vermittlung des Tiroler Seniors Wolfgang Liebenwein und Dora Herrmanns persönliches Auftreten wurde dieser Widerstand aufgelöst. Dora Herrmann wirkte drei Jahre lang als Pfarrerin in Tirol und übernahm Gottesdienste und Seelsorge. Ihr Dienst war anspruchsvoll, da das Gemeindegebiet weitläufig war und sie weite Strecken zu Fuß zurücklegen musste.

 

Ihre Arbeit wurde rechtlich nicht abgesichert und stützte sich auf den Erlass von 1942. Trotzdem wurde sie am 2. Dezember 1945 vom damaligen Superintendenten Wilhelm Mensing-Braun in ihrer Gemeinde zur "rechtmäßigen Pfarrerin" ordiniert. Die evangelische Kirche in Österreich erkannte diese Handlung nicht an, und Dora Herrmann verließ 1947 den kirchlichen Dienst. Nachdem die Evangelische Kirche Österreichs ihre Ordination 1966 anerkannte, durften ordinierte Frauen vorerst jedoch nicht als Pfarrerinnen arbeiten, sobald sie verheiratet waren. Dora Winkler-Herrmann war verheiratet und konnte daher auch diesmal nicht Pfarrerin sein. Sie vertrat aber fortan männliche Pfarrkollegen in Tirol, übernahm Gottesdienste und Predigten. 1982 entschied die Generalsynode, auch verheiratete Frauen zu ordinieren. Dora Winkler-Herrmann erhielt 1983 die Ehrenmedaille des Tiroler Landeshauptmanns Eduard Wallnöfer für ihre Verdienste und verstarb am 12. September 1983 in Zams, Tirol.

 

Für evangelische Pfarrerinnen in Österreich ist Dora Winkler-Herrmann eine Identifikationsfigur geworden.

Wie unsere Gemeinde aufgebaut wurde

Von der Kunst- und Bautätigkeit unserer Gemeinde

Die Aufbaujahre

Johann Stürzer – einem Siebenbürger Flüchtlingspfarrer – gelang es nach dem Zweiten Weltkrieg die auch durch Flüchtlinge stark gewachsene Gemeinde im Unterland zu sammeln und mit der Errichtung der Kirche in Kufstein zur Selbstständigkeit zu führen. Es entstand die neue Muttergemeinde Kufstein (Bezirk Kufstein) mit der Tochtergemeinde Kitzbühel (Bezirk Kitzbühel). 1958 ging Pfarrer Stürzer in den Ruhestand und Pfarrer Wolfgang Schmidt, späterer Superintendent der Diözese, setzte die Aufbauarbeit fort. Die Pfarrgemeinde Kitzbühel wurde 1967 selbstständig und – Dank der finanziellen Unterstützung der Gustav-Adolf-Hauptgruppe Hessen-Nassau, sowie vieler großer und kleiner Spenden von Mitgliedern der Gemeinde -  konnte im Jahr 1972 auch das Gemeindezentrum in der Wörgler Lahntalsiedlung errichtet werden.

 

Entwicklung und Setzung

Nachdem Pfarrer Stürzers 1958 in den Ruhestand ging, setzte Pfarrer Wolfgang Schmidt, der spätere Superintendent von Salzburg-Tirol, die begonnene Aufbauarbeit fort. Schmidt schuf 1979 in Kufstein ein Orgelpositiv an. Als Schmidt 1980 die Pfarrgemeinde Kufstein verließ, folgte ihm Pfarrer Karlheinz Müller nach. Karlheinz Müller unterstützte vor allem die Kunst in unserer Pfarrgemeinde, so wurde 1993 an der Stirnwand des Gemeindezentrums Wörgl das "Vater Unser Relief" der Künstlerin Brigitte Gmach angebracht. Stark aufgewertet wurde die Johanneskirche unter Karlheinz Müllers Verantwortung durch den Austausch der Kirchenfenster. Direktor Rudolf Trawöger, der Leiter der Glasfachschule in Kramsach, entwarf die bunten Fenster, in denen die vier Elemente: Feuer, Wasser, Erde, Luft, in unterschiedlicher und dem Lichteinfall angepasster Weise zur Geltung kommen.

 

Die Entwicklung bis heute

2013 ging Karlheinz Müller, nach 33 Jahren Pfarrdienst in Kufstein, in den Ruhestand. Zu seinem Nachfolger wählte die Gemeindevertretung der Pfarrgemeinde Robert Jonischkeit, der davor in Saalfelden tätig war. In der Zeit von Jonischkeit fiel die Schaffung eines barrierefreien Zugangs sowohl im Gemeindezentrum Wörgl als auch bei der Johanneskirche in Kufstein. 2021 wurde Pfarrer Jonischkeit zum Superintendenten im Burgenland gewählt. Nach einem Jahr Pause wurde Pfarramtskandidat Thomas Müller der Pfarrgemeinde Kufstein im Herbst 2022 zugeteilt. Nach seiner abgeschlossenen Ausbildung wurde er zum neuen Pfarrer der Gemeinde Kufstein gewählt und trat am 1. September 2023 seinen Dienst an.