07/05/2025 0 Kommentare
Die Dora-Winkler-Herrmann-Brücke
Die Dora-Winkler-Herrmann-Brücke
# Evangelisches Leben

Die Dora-Winkler-Herrmann-Brücke
Kufstein ist eine Stadt voller Übergänge: Über den Inn, über Bäche, über Straßen – und manchmal auch zwischen Zeiten und Biografien. Insgesamt 45 Brücken gibt es im Gemeindegebiet: 10 Hauptbrücken und 35 Nebenbrücken. Lange führten sie eher anonyme Namen wie »Stadtbrücke über den Inn« oder »Fußgängerbrücke Innpromenade«. Doch seit kurzem tragen elf dieser Brücken neue, klingende Namen – benannt nach elf bemerkenswerten Frauen aus der Geschichte Kufsteins.
Diese Entscheidung des Gemeinderats wurde mit Blick auf ein deutliches Ungleichgewicht getroffen: Während rund achtzig Straßen und Plätze in Kufstein nach Männern benannt sind, gab es bis vor Kurzem nur drei Straßennamen, die an Frauen erinnerten. Da Straßenumbenennungen kaum praktikabel sind, lag es nahe, die Brücken der Stadt zu nutzen, um Kufstein ein ausgewogeneres, historisch vielfältigeres Gesicht zu geben.
Jede der elf neu benannten Brücken erinnert an eine Frau, die für Kufstein oder darüber hinaus von Bedeutung war – unter ihnen Künstlerinnen, Kämpferinnen, Unternehmerinnen und Theologinnen. An jeder Brücke soll künftig eine Tafel an das Leben der Namensgeberin erinnern. Ein besonders starkes Zeichen setzt dabei die Dora-Winkler-Herrmann-Brücke.
Diese Brücke – ehemals als »Geh- und Radwegbrücke Kaiserbach (Nebenbrücke Nr. 25)« geführt – wurde nach der ersten evangelischen Pfarrerin Österreichs benannt. Dora Winkler-Herrmann (1910–1983) war während der Kriegsjahre in der Region Kufstein als Pfarrerin tätig. Unter schwierigen Bedingungen übernahm sie Gottesdienste, seelsorgerliche Aufgaben und geistliche Begleitung für eine weit verstreute Gemeinde – zu einer Zeit, als Frauen im Pfarramt offiziell kaum vorgesehen waren. Ihre Ordination 1945 wurde kirchlich lange nicht anerkannt. Dennoch wirkte sie weiter im Hintergrund, vertrat Kollegen, predigte und wurde für viele Pfarrerinnen in Österreich zur Identifikationsfigur. Heute steht ihr Name sinnbildlich für Mut, Ausdauer und eine Kirche im Wandel. Die Brücke, die sie nun trägt, schlägt nicht nur einen Weg über den Kaiserbach – sie schlägt eine Brücke in ein gerechteres Erinnern.
Die weiteren neuen Brückennamen lauten:
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Sieghilde Pirlo-Hödl Brücke (ehem. »Klemmerbrücke«) – Bildende Künstlerin (1905–1978)
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Therese Zöttl Brücke (ehem. »Wagingerbrücke«) – Fotochronistin Kufsteins (1865–1923)
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Friederikenbrücke (ehem. »Fußgängerbrücke Innpromenade«) – in Erinnerung an die Aschelegende Friederikens (gest. 1839)
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Theroigne de Mericourt-Brücke (ehem. »Brücke über die Wildbichlerstraße«) – politische Gefangene der Festung Kufstein (1762–1817)
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Margaretenbrücke (ehem. »Stadtbrücke über den Inn«) – Margarete von Tirol (1318–1369)
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Kreszenz Huber-Brücke (ehem. »Kienbachbrücke«) – Kaisertalbotin und Kräuterfrau (1822–1902)
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Blanka Teleki-Brücke (ehem. »Stadtzufahrtsbrücke«) – ungarische Frauenrechtlerin und Kufstein-Häftling (1806–1862)
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Berta Geist-Brücke (ehem. »Innsteg«) – Geschäftsfrau und letzte Repräsentantin jüdischen Lebens vor dem 2. Weltkrieg (gest. 1941)
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Marie Eder-Brücke (ehem. »Brücke über die Weißache«) – Opernsängerin aus Kufstein (1824–1908)
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Franziska Kinz Brücke (ehem. »Fußgänger- und Radwegbrücke Kufstein West«) – Schauspielerin und Tierschützerin (1897–1980)
Die Umbenennung der Brücken ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass Geschichte nicht in Stein gemeißelt bleiben muss. Wer über eine dieser Brücken geht, begegnet nicht nur dem Alltag, sondern auch Menschen, die mit ihrem Leben und Wirken Spuren hinterlassen haben. Und wer weiß – vielleicht inspiriert der neue Name unter den Füßen auch zu neuen Gedanken im Kopf.
Folgende Links:
- Onlineartikel von Klaus Reitberger - hier.
- Zur Geschichte unserer Pfarrgemeinde - hier.
- Artikel der Stadt Kufstein - hier.
AEL-Projektabschluss-Veranstaltung zu "Danke, Dora!"am 21. Juni 2025.
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